
Am Mittwoch greift Alina Reh (SSV Ulm 1846) ins EM-Geschehen ein. Dann stehen um 20:40 Uhr die 10.000 Meter der Frauen im Berliner Olympiastadion auf dem Programm. Die 21-Jährige geht als Nummer sechs der Jahresbestenliste ins Rennen. Doch eine Prognose ist schwierig, da viele starke Läuferinnen wie Titelverteidigerin Yasemin Can (Türkei) und Meraf Bahta (Schweden) 2018 noch gar keine 10.000 Meter gelaufen sind. Im Interview spricht Alina Reh über ihre Ziele für ihre EM-Premiere und warum ihr Trainer sie manchmal bremsen muss.
Alina Reh, was haben Sie eigentlich Mitte August 2009 gemacht?
Da war ich mit meiner Familie im Camping-Urlaub.
Haben Sie denn damals denn überhaupt die WM in Berlin verfolgt?
Wir hatten einen kleinen Fernseher im Wohnwagen. Da haben wir abends immer die WM verfolgt. Besonders gut kann ich mich an das 100-Meter-Finale der Männer mit dem Weltrekord von Usain Bolt erinnern. Und natürlich ans Maskottchen Berlino.
Sie sind im Mai 21 Jahre alt geworden. Wann haben Sie zum ersten Mal realisiert, dass auch Sie vielleicht irgendwann einmal im Olympiastadion bei einer großen Meisterschaft starten könnten?
Als ich 2012 die Olympischen Sommerspiele in diesem großen Londoner Stadion gesehen habe, entstand der Traum, auch mal vor so einer Kulisse laufen zu dürfen. Realisiert, dass es wirklich geklappt hat, habe ich dann 2017 bei der WM eben in diesem Stadion in London. Aber erst, nachdem ich im Ziel war.
Am Mittwoch, 8. August, starten Sie nun bei Ihrer zweiten großen Meisterschaft. Dann stehen Sie bei der EM in Berlin über 10.000 Meter an der Startlinie. Wie fühlen Sie sich, so wenige Tage vor einem möglichen Karrierehöhepunkt?
Ich freue mich sehr auf den Wettkampf, die Spannung steigt von Tag zu Tag. Nun hoffe ich, dass bis Mittwoch weiter alles glatt läuft.
DLV-Trio bei EM am Start
Neben Ihnen sind mit Natalie Tanner (LG Eintracht Frankfurt) und Anna Gehring (ASV Köln) zwei weitere deutsche Starterinnen über 10.000 Meter in Berlin dabei. Ist das ein Vorteil?
Auf jeden Fall. Natalie lerne ich erst in Berlin kennen, weil sie ja in den USA lebt. Aber Anna war ja schon bei meinem ersten internationalen Einsatz 2013 bei der U18-WM mit dabei. Wir kennen uns gut und sie kann mir hoffentlich durch ihre lockere Art etwas Nervosität nehmen.
Zu den sportlichen Fakten: Mit Ihrer Saisonbestzeit von 32:17,17 Minuten stehen Sie auf Rang sechs in Europa. Welche Ziele haben Sie sich für das EM-Rennen gesetzt?
Ich hoffe, dass ich am Mittwoch alles aus mir herausholen kann und im Ziel glücklich über meine Leistung bin. Natürlich würde ich gern schneller laufen als meine Saisonbestzeit. Ideal wäre es, wenn die 31 vorn stehen würde.
Alina Reh: „Die Ausdauerwerte sind so gut wie 2017“
2017 sind Sie schon 31:38 Minuten über 10 Kilometer auf der Straße gelaufen. Sind Sie nach der langen Verletzung aufgrund des Ermüdungsbruches schon wieder in einer vergleichbaren Form wie vor zehn Monaten und können Sie sich vorstellen, in Berlin in diesen Zeitbereich zu laufen?
Die EM wird natürlich ein ganz anderes Rennen. Im Herbst 2017 habe ich den Straßenlauf ohne große Zielsetzung bestritten. Da bin ich einfach nur gelaufen. Ich hoffe, dass ich diese Lockerheit auch am Mittwoch finde. Vielleicht ist es ein gutes Omen, dass ich die 31:38 Minuten ebenfalls in Berlin gelaufen bin. Von den Ausdauerwerten bin ich jedenfalls in ähnlicher Form wie vor zehn Monaten. Allerdings fehlen mir aber durch der Ermüdungsbruch im Frühjahr einige Trainingseinheiten in den Bereichen Schnelligkeit und Tempoausdauer. Über eine Zeit lässt sich bei einem Meisterschaftsrennen ohnehin nur schwer spekulieren.
Die EM wird erst Ihr zweites 10.000-Meter-Rennen überhaupt. Ist diese geringe Erfahrung ein Nachteil oder wissen Sie genau um Ihre Leistungsstärke?
Genau, es wird erst mein zweites 10-Kilometer-Rennen auf der Bahn sein. Über die fehlende Erfahrung mache ich mir aber keine Gedanken. Ich versuche einfach, die 25 Runden zu laufen und in meinen Flow zu kommen.
Muss Sie eigentlich Ihr Trainer Jürgen Austin-Kerl in den Wochen vor einem so wichtigen Rennen im Training eher antreiben oder zügeln?
Das ist eine gute Frage (lacht)! Jürgen muss mich aber eher zügeln und mir tausendmal die Fragen beantworten, ob ich es kann und ob ich genügend trainiert habe. Außerdem würde ich am liebsten jeden Tag einen Leistungstest machen, um zu schauen, ob ich noch laufen kann. Er hat es auf jeden Fall nicht einfach mit mir – sorry Jürgen!
Entspannt und locker bleiben
Kommen wir zur Renn-Taktik: Da Sie nicht über die Spurtstärke wie viele Konkurrentinnen verfügen, gestalten Sie Rennen gern von vorn. Haben Sie Respekt davor, dass Sie die anderen Läuferinnen in Berlin als „Lokomotive“ nutzen könnten und Sie am Ende den Kürzeren ziehen?
Angst davor, die Lokomotive zu spielen, habe ich nicht. Ich gestalte gern Rennen von vorn, da ich dann meinen eigenen Schritt ziehen kann. Während des Rennens muss ich nur schauen, dass ich entspannt und locker bleibe und mich nicht durch die anderen aus dem Konzept bringen lasse. Ich möchte im Ziel auf jeden Fall sagen können, dass ich alles gegeben habe. Wenn es für keine gute Platzierung reicht, dann waren andere einfach schneller. Aber ich möchte für mich ein schnelles Rennen laufen.
Nach der Bahnsaison ist vor dem Straßenlauf-Herbst: Haben Sie für die kommenden Monate noch Halbmarathon-Starts geplant? Und wann wird man Sie als ausdauerstarke Athletin auf der Marathondistanz sehen?
Einen Halbmarathon würde ich dieses Jahr schon noch sehr gern laufen. Wo und wann steht noch nicht ganz fest. Ich mag es zwar sehr, auf der Straße Rennen zu laufen, aber den Marathon werde ich auf jeden Fall noch nicht in Betracht ziehen. Aber es ist und bleibt ein Wunsch von mir, irgendwann einen guten Marathon zu laufen.
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