
Vor dem Startschuss scherzte sie noch wie gewohnt mit dem Publikum, nach dem 200-Meter-EM-Finale legte sie sich Schwarz-Rot-Gold um die Schultern: Gina Lückenkemper (LG Olympia Dortmund) hat mit ihren erst 19 Jahren die Sprint-Sensation geschafft und ist am Donnerstagabend in Amsterdam in 22,74 Sekunden auf den Bronzeplatz gestürmt. „Ich kann es noch gar nicht in Worte fassen, es ist einfach der Wahnsinn“, jubelte die Abiturientin nach ihrer ersten internationalen Medaille in der Frauenklasse bei ihrem ersten internationalen Start.
Im Finale konnte sich die 19-Jährige wie so oft auf ihre Lockerheit verlassen. Auch die von hinten früh heranstürmenden Dina Asher-Smith (Großbritannien; Europameisterin in 22,37 sec) und Ivet Lalova-Collio (Bulgarien; Zweite in 22,52 sec) brachten die Soesterin genauso wenig aus dem Konzept wie der nicht ganz geglückte Start. „Sie waren superschnell da. Ich habe nur gedacht: Zieh dein Rennen durch“, sagte Lückenkemper. Sie tat es!
Auch als neben ihr auf den Bahnen sieben und acht Jamile Samuel (Niederlande; Vierte in 22,83 sec) und Nataliya Pohrebnyak (Ukraine; Fünfte in 22,84 sec) noch stark aufkamen, ließ sich die Deutsche Meisterin nicht aus der Ruhe bringen. „Dass ich Dritte war, habe ich aber erst geglaubt, als das Ergebnis auf der Anzeigetafel erschienen ist“, sagte Lückenkemper. Nur einmal war die U20-Europameisterin in ihrer Karriere schneller: 22,67 Sekunden lief sie Anfang Juni in Regensburg. In Amsterdam war sie bei Gegenwind nur sieben Hundertstel langsamer. Damit ist die Zeit der Abiturientin ähnlich hoch einzuschätzen wie ihre Bestmarke.
Für die 19-Jährige ist die EM-Bronzemedaille die bisherige Krönung eines kometenhaften Aufstiegs im Sprint-Tempo. Vor zwei, drei Jahren war Gina Lückenkemper nur Insidern bekannt, vergangenes Jahr dann der Leistungssprung, der mit Gold bei der U20-EM und WM-Platz fünf mit der 4×100-Meter-Staffel endete. Nun also in Amsterdam das bisherige Meisterstück. Um die Leistung einzuordnen: Letztmals stand vor 18 Jahren eine deutsche 200-Meter-Läuferin auf dem EM-Podest: Melanie Paschke (TV Wattenscheid 01) gewann 1998 in Budapest in 22,78 Sekunden ebenfalls Bronze. Damals war Gina Lückenkemper gerade einmal 21 Monate alt.
Die Traum-Saison der LGO-Athletin ist aber noch lange nicht zu Ende. Am Samstag (Vorlauf) und Sonntag (Finale) steht die Sprintstaffel bei der EM auf dem Programm. Zum deutschen „Vierer“ dürfte auch Lisa Mayer zählen. Die 20-jährige Hessin lief im 200-Meter-Finale in 23,10 Sekunden auf Platz acht. Mit ihrer Vorleistung von glatten 42,00 Sekunden ist die DLV-Staffel in jedem Fall ein Medaillenkandidat. Außerdem folgen in fünf Wochen natürlich noch die Olympischen Spiele in Rio. Für die 200 Meter ist Gina Lückenkemper als Deutsche Meisterin bereits nominiert worden. Nach ihrer Gala-Vorstellung von Amsterdam darf man sich schon jetzt auf die Auftritte der EM-Dritten in der brasilianischen Metropole freuen.
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