Eigentlich ist es nur ihre „Zweitstrecke“, die Zubringerdistanz für die 200 Meter. Doch wie stark sich Gina Lückenkemper in den vergangenen Monaten auch auf den 100 Metern verbessert hat, bewies sie am Samstagnachmittag. Und wie! Zu den Deutschen U23-Meisterschaften in Wetzlar war die Sprinterin vom LAZ Soest mit einer Bestzeit von 11,49 Sekunden angereist. Nach Hause fuhr die 18-Jährige mit 11,25 Sekunden (0,9 m/sec) und damit mit der WM-Norm in der Tasche. Die WM der Männer und Frauen Ende August in Peking wohlgemerkt – keine Nachwuchsmeisterschaft! Um die Zeit besser einzuordnen: Keine deutsche U20-Sprinterin war in diesem Jahrtausend über 100 Meter schneller: nicht Sina Schielke, nicht Verena Sailer, nicht Yasmin Kwadwo. In Europas U20-Bestenliste der aktuellen Saison rangiert sie damit eine Hundertstel hinter Polens Sprint-Talent Ewa Swoboda auf Platz zwei.
„Das ist einfach nur mega, ich kann es noch gar nicht fassen“, suchte die Schülerin nach dem pfeilschnellen Zwischenlauf nach den richtigen Worten. Dabei hatte sich ihre starke Form schon im Vorlauf angedeutet. Dort hatte sie mit 11,33 Sekunden ihre erste Bestzeit des Tages aufgestellt. Anderthalb Stunden später folgte dann der auf die Hundertstel getimte „WM-Knaller“. Aufs Finale musste Gina Lückenkemper dann allerdings verzichten. „Mein linker Oberschenkelbeuger hat sich im Zwischenlauf verhärtet. Wir wollten keine Risiko eingehen“, sagte der Schützling von Uli Kunst. Wen wundert’s bei diesem Tempo? Um vor den Saisonhöhepunkten auf Nummer sicher zu gehen, wird die Sprinterin auch auf die Titelverteidigung über 200 Meter am Sonntag verzichten. In dieser Top-Form hätte die Soesterin durchaus die WM-Norm (22,90 sec) angreifen können.
Doch ob trotz WM-Norm Gina Lückenkemper auch in Peking dabei ist, steht noch nicht fest. Zwar stehen drei Startplätze pro Nation und Disziplin zur Verfügung. Allerdings sind auch schon die Wetzlar-Siegerin Rebekka Haase (LV 90 Erzgebirge; 11,21 sec im Zwischenlauf) und Tatjana Pinto (LG Brillux Münster; 11,23 sec) unter der WM-Vorgabe geblieben. Dazu ist Ex-Europameisterin Verena Sailer (MTG Mannheim) noch gar nicht in die Saison eingestiegen. Ist sie fit, wird sie mit Sicherheit unter der WM-Norm bleiben. Doch mit ihrer Sprint-Gala auf der schnellen Bahn in Wetzlar – Ex-Trackteam-Sprinter Till Helmke (LG Ovag Friedberg-Fauerbach) lief dort 2007 mit 20,37 Sekunden auf Platz sechs der ewigen deutschen 200-Meter-Bestenliste – hat das Soester Talent eine eindrucksvolle Bewerbung für einen Staffelplatz bei der WM abgegeben.
Kein fünfter Streich für Malkus > Viermal in Folge hatte Lena Malkus (SC Preußen Münster) den Titel bei den Deutschen U23-Meisterschaften abgeräumt. Zum ersten Mal 2011 im Alter von nur 17 Jahren in Bremen. Am Samstag in Wetzlar war für die in diesem Jahr viertbeste Weitspringerin der Welt (6,94 m in Weinheim) schon vor dem vierten Versuch Endstation. Nach drei ungültigen Sprüngen im Vorkampf verpasste die Psychologie-Studentin den Endkampf der besten acht Springerinnen. „Es ist schwer, eine Erklärung zu finden. Ich hatte spürbare Probleme im Anlauf mit den wechselnden Winden. Darum bin ich auch vor dem dritten Versuch knapp 75 Zentimeter mit dem Anlauf nach hinten gegangen“, sagte Malkus. Doch auch das nützte nichts.
Obwohl die 21-Jährige natürlich von ihrem „Salto Nullo“ frustriert war, werden in den kommenden Wochen deutlich wichtigere Wettkämpfe folgen. So darf sie nach Wetzlar mit dem Start bei der U23-EM Anfang Juli in Tallinn (Estland) planen. Lediglich ihre Nachfolgerin als Deutsche U23-Meisterin, Malaika Mihambo (LG Kurpfalz), hat die Tallinn-Vorgabe (6,45 m) ebenfalls übertroffen. In Wetzlar setzte sich die EM-Vierte mit 6,60 Metern vor Annika Gärtz (LV 90 Erzgebirge; 6,32 m) und Maryse Luzolo (LG Eintracht Frankfurt; 6,15 m) durch. Während das Trio in Wetzlar die Medaillen entgegennahm, bereitete sich Lena Malkus schon wieder auf neue Aufgaben vor. Sie startet am Sonntag bei der U23-DM über 200 Meter – und das nach dem frühen Weitsprung-Aus sicherlich mit einer ordentlichen Portion Wut im Bauch.
Zwicker bucht Final-Ticket > Vorlauf-Aufgabe souverän gelöst: Bei der U23-DM in Wetzlar ist Patrick Zwicker (LC Rehlingen) ohne Mühe ins 800-Meter-Finale gelaufen. In seinem Vorlauf setzte sich der amtierende U20-Europameister am Samstag in 1:52,49 Minuten durch. „Es war ein typischer Vorlauf. Die ersten 200 Meter schnell, dann ab auf die Bremse“, beschrieb der Student das Rennen. Nach der ersten Runde übernahm Zwicker die Initiative und lief das Rennen von der Spitze nach Hause. Dabei sparte er auf den finalen 100 Metern noch ordentlich Kraft fürs Finale am Sonntagmittag.
Dort werden die Karten neue gemischt. Favorit ist Dennis Krüger. Der Berliner hat mit 1:45,79 Minuten die schnellste Bestzeit aufzuweisen. „Es wird darum gehen, eine gute Ausgangsposition zu bekommen. Das Rennen wird auf den letzten 300 Metern entschieden“, schaut Zwicker auf den Sonntag. Ebenfalls ein Kandidat für einen Platz ganz vorn ist morgen Christoph Kessler. Der Karlsruher lief in 1:51,31 Minuten die schnellste Vorlaufzeit.
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